Syrienkrieg 2011 bis 2014

 ()

Syrische Landschaft

Redaktionelle Bildunterschrift

Redaktionelle Quelle

Die Vorgeschichte

Vor dem ersten Weltkrieg von den Osmanen beherrscht, kämpften die Araber im Krieg zusammen mit den Engländern und Franzosen, da man ihnen danach die Unabhängigkeit versprochen hatte.
Doch es war nie geplant, dieses Versprechen einzuhalten. Die eroberte arabischen Gebiete wurden nach dem Sykes-Picolt-Abkommen willkürlich entlang einer Linie geteilt: Syrien wurde Frankreich zugesprochen und blieb bis 1946 in der Hand der Franzosen.
Danach beteiligte Syrien sich am Krieg gegen den neu und scheinbar willkürlich gegründete Staat Israel, verlor gemeinsam mit Ägypten und fiel in eine innere Krise, die von mehreren Staatsstreichs gekennzeichnet war.

Seit 1963 (ein weiterer Putsch …) reagiert die Baath-Partei in einem Einparteiensystem.
Die meisten Regierungsposten werden vom Clan der Assads besetzt, der aus einem kleinen Dorf bei Lattakia stammt.
Der Assad-Clan gehört zu den Alawiten, eine Minderheit, die vor 1963 lange verfolgt und diskriminiert wurde. Die Mehrheit der Syrer sind Sunniten.
Viele Alawiten sind in der Armee, da sie zu Zeiten ihrer Unterdrückung nicht das Geld besaßen, sich vom Militärdienst freizukaufen.
Die Alawiten sind relativ säkulare Muslims. Assad gab sich, um sie an sich zu binden, auch stets als Beschützer der Christen und anderer Minderheiten.

Ein wichtiger Arm des Systems ist der Geheimdienst. Jegliche Opposition – sei es von religiöser oder politischer (z.B. kommunistischer) Seite – wurde stets im Keim erstickt, ähnlich wie wir es von sozialistischen Systemen kennen. Nach außen hin durfte nur durchdringen, dass das Volk seinen Herrscher liebt. Die Foltergefängnisse des Regimes wie das von Tadmor (nahe Palmyra in der Wüste) sind längst international bekannt.
Nach einem misslungenen Attentat auf Hafiz al Assad 1980 durch die Muslimbruderschaft wurden in Tadmor über 1000 dort gefangene Angehörige der Bruderschaft bei einem Massaker der Regierung hingerichtet.
Als in der Stadt Hama 1982 ein Aufstand gegen Hafiz al Assad ausbrach, ließ er die Stadt von der Armee in Schutt und Asche legen, und eine Verhaftungswelle rollte über das Land.

Nach dem Tod von Hafiz al Assad im Jahr 2000 übernahm sein Sohn Bashar al Assad das Amt des „Präsidenten“ und begann zaghafte Reformen.
Doch nachdem es Syrien in den Siebziger Jahren durch Transfergebühren für irakisches Öl, eigene Ölförderung und Hilfen der Sowjetunion und anderer arabischer Staaten wirtschaftlich gut gegangen war, war der Ölpreis nun gesunken und die ausländischen Hilfen beendet. Dennoch wuchs die Bevölkerung weiter stark an.
Die Folge war eine erhöhte Armut, Arbeitslosigkeit und Landflucht. Die Unzufriedenheit der Syrer stieg.

Syrischer Falke (https://www.flickr.com/photos/baerchen57/6684475667)

Syrischer Falke

Der Falke, das Wappentier Syriens

Der Beginn

Ende Februar 2011 schreiben Jugendliche in der südsyrischen, armen Stadt Daraa an eine Wand:
„Das Volk will den Sturz des Regimes“, einen Satz, den sie aufgeschnappt haben, aus Ägypten, aus Tunesien, irgendwo aus den Wirren des arabischen Frühlings. Und sie fügen hinzu. „Du bist der nächste, Doktor.“ Der nächste, heißt das, der fällt.
Damit ist Bashar Al Assad gemeint, der Augenarzt war, ehe er „Präsident“ wurde.
In den nächsten Tagen werden die Jungen vom staatlichen Geheimdienst verhaftet und gefoltert
General Atef Najib, Chef des Geheimdienstes von Daraa, ein Cousin Bashar al Assads, ist bekannt für seinen Sadismus.
Die verhafteten Jungen sollen zugeben, vom  westlichen Ausland angestiftet worden zu sein, das dem Regime nicht wohlgesinnt ist. In Wirklichkeit war ihre Geste vermutlich eher ein Ausdruck von jugendlichem Anti-Denken, Frust, Langeweile.
Die Familien der Kinder gehen im März auf die Straße und demonstrieren für die Freilassung ihrer Söhne, unterstützt von immer mehr Menschen aus Daraa.
Die Regierung schlägt die Proteste gewaltsam nieder, erste Demonstranten werden erschossen. Scharfschützen zielen dabei auf Brust und Köpfe.
Proteste in anderen Städten des Landes flackern auf, Aleppo und Damaskus sind mit die ersten Städte, in denen Demonstranten sich mit Daraa solidarisieren.
Als Bashar Al Assad General Atef Najib entlässt und zögernde Reformen verspricht, ist es zu spät:
Das Volk fordert den Sturz des Regimes – das Graffiti ist wahr geworden.

Friedlicher Aufstand

In den folgenden Monaten demonstrieren die Menschen in mehr und mehr syrischen Städten. Die Demonstranten in Homs halten Ölzweige in die Höhe, um ihre friedliche Absicht zu zeigen.
Die Regierung reagiert trotz Reformversprechen weiter mit Gewalt.
Die Demonstranten versammeln sich an Freitagen in den Moscheen zum Gebet, da die Moscheen der einzige Ort ist, an dem Versammlungsfreiheit gegeben ist. Nach dem Gebet wird gemeinsam demonstriert. Die Freitage erhalten im Internet heroische Namen.
Demonstranten und Sympathisanten werden zu Dutzenden verhaftet und verschwinden in den Folterkellern des Regimes. Die Dächer sind voller Scharfschützen. Die Geheimdienste haben ihre Augen und Ohren seit Jahren überall, nun ist all dies noch präsenter.
Das Regime versucht, durch Gerüchte, Fehlinformationen und sogar Flugblätter Hass zwischen den Religionsgruppen zu schüren: Den Alawiten und Christen wird suggeriert, die aufständischen Sunniten wollten ihren Tod.
Alawiten, die sich selbst an den Aufständen beteiligen, gelten als Verräter innerhalb ihrer Gemeinschaft und werden oft noch härter bestraft als die sunnitische Mehrheit.
Die Revolution soll „islamisiert“ werden, wehrt sich aber anfangs dagegen.
Um die Kurden auf seine Seite zu ziehen, gewährt Assad ihnen nach Jahren endlich mehr Rechte, schenkt ihnen die syrische Staatsbürgerschaft. Doch auch diese Geste kommt zu spät.
Panzer rücken in die für abtrünnig erklärten Städte und Stadtviertel ein, legen ganze Häuserzeilen in Schutt und Asche, Belagerungen beginnen an verschiedenen Orten, die Viertel oder Dörfer werden kollektiv für die Demonstrationen bestraft. Den Soldaten der Armee wird gesagt, sie würden auf bewaffnete, gefährliche Demonstranten schießen.
Vom Sommer 2012 an fliegt die Armee zu diesem Zweck auch erste Luftangriffe, zunächst in Aleppo.
In Istanbul hat sich bereits 2011 der „Syrische Nationalrat“ gebildet, eine Gruppe vor allem aus langjährig im Ausland lebenden Syrern. Viele syrische Oppositionelle in Syrien erkennen ihn nicht an.

Die Revolution im Internet

Von Anfang an ist der syrische Aufstand auch ein Aufstand im Internet.
Viele Demonstrationen sind nur durch Verabredungen auf Plattformen möglich, hier gründen sich Netzwerke, die versuchen, die zersplitterten Gruppierungen der Demonstranten zu einen, Unterstützung für Familien Verhafteter und ärztliche Hilfe zu organisieren.
Demonstranten filmen und posten, um die Gräueltaten des Regimes zu beweisen und die Welt aufzurütteln. Doch das Regime spielt hier genauso fleißig mit. Widersprüchliche Informationen sprießen wie ein Urwald auf allen Portalen.
Die Syrer sind enttäuscht von der Reaktion der westlichen Welt.
Alle applaudieren den Syrern, heißt es auf einem Posting, wenn wir demonstrieren, aber sterben tun die Syrer ganz alleine. Niemand interveniert, trotz täglicher Verletzung von Menschenrechten. Die Wut der Bevölkerung steigt.

Die Revolution bewaffnet sich

Im Oktober 2012 gründet sich die FSA – die Freie Syrische Armee. Sie besteht zunächst aus desertierten Soldaten der Armee, die lange begriffen haben, dass man sie in Wirklichkeit auf Zivilisten schießen lässt. Immer mehr junge Männer schließen sich der FSA an, sie erobern einzelne Gebiete. Die FSA ist nicht konventionell und gelobt, Demonstranten zu schützen und Menschenrechte anzuerkennen, ihre Gefangenen nicht zu foltern und vieles mehr.
Sie hofft auf Hilfe aus dem Ausland, erhält jedoch kaum welche, und ist von Beginn an zersplittert in einzelne, unterschiedlich liberale Einheiten.
Das Regime hat mehr Waffen (und aus welchen Ländern diese kommen, darf jeder selbst googeln) und drängt die FSA zurück, und mit dem Frust der Armee steigt die Bereitschaft zur Radikalisierung, auch die zum Islamismus.

Der Ausverkauf humanitärer Werte

Immer mehr kleinere und größere Gruppierungen tauchen im Land auf und kämpfen gegen das Regime, seit 2013 aber auch gegeneinander: Die Brigaden der FSA, später die kurdische PYK, die Al-Nusra-Front, Ashar-al-Sham, die Syrische Islamische Front, die Islamische Befreiungsfront … wen das an Life of Brian erinnert, dem sei hier Recht gegeben.
Die FSA und der Rest der hauptsächlich islamistischen Opposition bekriegen sich zunehmend selbst. Nach anfänglichen Zweifeln wird 2013 bekannt, dass Al-Nusra ein Arm der Al-Qaida ist, obwohl sie sich später für unabhängig erklären.
Rache-Massaker an Alawiten und später auch Christen und Schiiten finden statt, Entführungen politischer Gegner oder einfach religiös Andersdenkender sind an der Tagesordnung.
Das Regime hat erreicht, was es wollte: Der Konflikt ist konfessionell geworden.
Das friedliche Miteinander verschiedener Religionen und Ethnien existiert nicht mehr.

Die Internationalisierung des Konflikts

2013/14 sieht der damals so genannte „Islamische Staat in Syrien und der Levante“ in dem Konflikt eine einmalige Chance. Der ISIS, später IS, sagt sich von Al Qaida und Al Nusra los und macht sich in Syrien und im Irak an den Aufbau eines Kalifats: Die im Koran angekündigte Endzeit, der letzte Kampf scheint da. Danach kommt der friedliche reinmuslimische Gottesstaat.
Dazu müssen natürlich erst sämtliche Nichtmuslime oder freiheitlich denkenden Muslime beseitigt sowie alle Rechte für Frauen schleunigst abgeschafft werden.
Das Internet beginnt, eine immer größere Rolle zu spielen: Der IS hat eigene Mediencenter, um professionelle Propaganda zu betreiben. Er fängt die Perspektivlosigkeit von Jugendlichen in der ganzen Welt auf, um sie für den heiligen Krieg zu rekrutieren.
Im Gegensatz zum Assad-Regime und den Oppositionellen in Syrien, die sich stets gegenseitig der Folter und des Menschenrechtsbruches beschuldigen und Beweise für die Verbrechen der anderen Seite in Netz stellen, inszeniert der IS die eigenen Gräueltaten wie Theaterstücke.
Enthauptungen, Massenhinrichtungen, Steinigungen, Leichenfledderung und das Training von Kindersoldaten werden, begleitet von heroischer Kampfmusik, stolz der Welt präsentiert. Für die Mädchen gibt es Videos von Kätzchen neben Kalaschnikows. Das scheint die Jugendlichen mehr anzusprechen als alles andere, der Zustrom zum IS ist immens und nimmt heute noch zu.

Photos zum Syrienkrieg