Danksagung und Entstehungsgeschichte

Gekürzte Fassung der Danksagung auch im Buch.

Sommer unter schwarzen Flügeln entstand in einem einzigen Sommer und doch in vielen Sommern und Wintern zuvor. Überhaupt mit der Geschichte zu beginnen, war ein langwieriger Entscheidungsprozess, und darin spielten viele Menschen eine Rolle, denen ich danken muss, doch sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen.
Lange trug ich mich mit dem Gedanken, über die Rechten in unserer Gegend zu schreiben, schon, als ich selbst noch so alt war wie Calvin und Nuri. Gewalt an sich erschien mir ein brennend interessantes Thema, ich sprach damals viel mit einigen Freunden aus Syrien, was ursprünglich ein Zufall war. Damals trug ich mich mit hochliterarischen Gedanken, brachte philosophische Abhandlungen und Grundsatzdiskussionen zu Papier – aber am Ende gingen meine Bemühungen nie über katastrophal schlechte Kurztexte hinaus.
Meine Deutschlehrer gähnten.
Ich kehrte der Literatur den Rücken und wurde stattdessen Sozialpädagoge, Sie wissen schon, das sind diese Leute, bei denen niemand so genau weiß, wozu sie eigentlich gut sind. Als Sozialpädagoge kann man in allen möglichen Jobs landen. Ich arbeitete in Berlin und auf den Inseln Rügen und Usedom an Schulen und Heimen, reiste gleichzeitig aber auch mehrmals nach Syrien, wieder eher ein Zufall, um Freunde zu besuchen.
Dort begegnete mir das Thema Gewalt in anderem Zusammenhang, in Gewaltfantasien einzelner Menschen, von Rachegedanken getrieben gegenüber anderen Gruppierungen oder gegenüber dem selbst Gewalt ausübenden Staat.
Nach Jahren begann ich wieder, über ein Buch nachzudenken, ein Buch für Jugendliche, nichts Hochtrabendes diesmal, ein Buch, dachte ich, dass man lesen kann, um ein paar Dinge zu begreifen.
Aber inzwischen fehlte mir der Mut, zu schreiben.
Ich wusste um die Angst der Journalisten, vor Ort über rechte Übergriffe zu berichten, und Freunden von uns wurden „Hausbesuche“ der NPD oder ihr nahestehender Gruppierungen abgestattet.
Dann geschahen einige Dinge, die ich hier nicht erzählen möchte, und Catherine und ich fassten den Entschluss, Deutschland doch noch zu verlassen. Vielleicht eine feige Entscheidung, in unserem Fall aber die einzig denkbare.
Wir packten unsere beiden Jungs und den Hund ein zogen nach Quebec, nicht weit weg von dort, woher Catherine ursprünglich stammt. In dem Sommer, in dem meine Familie bereits in Kanada war und ich noch Dinge in Deutschland klärte, überschlugen sich, wie man so schön sagt, die Ereignisse:
In Deutschland, in der Flüchtlingspolitik, im arabischen Raum und in meinem Kopf.
Auf einmal begann ich zu schreiben. Es war, als hätte sich eine jahrelange Blockade gelöst.
In dem Wissen, bald nicht mehr hier zu sein, verloren meine Finger auf der Tastatur jede Hemmung, ich saß bei einem Freund auf dem Sofa in Berlin und tippte ohne Pause, und er fragte mich, ob ich gesund sei. Ich sagte: „Ja. Jetzt ja.“

Deshalb möchte ich also all jenen danken, die es jahrelang mit mir ausgehalten haben, während ich haderte und nicht schrieb, und die es auch dann noch mit mir ausgehalten haben, als ich nur noch schrieb und nichts anderes mehr tat.
An allererster Stelle steht natürlich meine erstaunliche Frau Catherine, die auch meine erste Leserin war (und ist). Ihre Kritik ist stets sanft. Wenn sie sagt: Das ist alles wirklich gut, was Du geschrieben hast, ich liebe jedes einzelne Wort. ABER denk doch mal über dieses und jenes nach … dann krempele ich am Ende die ganze Szene noch einmal um und merke, dass sie recht hatte. Ebenso meinen Eltern, und unseren Söhnen Jakob und Aron für ihre Geduld mit dem im Geiste oft abwesenden Vater, der beim Fußballspielen beinahe einschläft, weil er nachts an der Umarbeitung des Textes gesessen hat. Ich danke unserer Hündin Lola für die langen Spaziergänge am Meer, auf denen sie zusammen mit mir den Protagonisten dieser Geschichte zum ersten Mal begegnet ist.

Ich danke meinem Berliner Freund, der seinen Namen hier nicht lesen möchte, für den wunderbaren Platz in seiner Wohnung, an dem das Buch größtenteils entstanden ist.
Und ich danke meinen syrischen Freunden, vor allem Reso Muso, für all unsere Gespräche und dafür, dass er den Roman mehrfach Korrektur gelesen und sich Mühe gegeben hat, nicht zu sehr über meine Unwissenheit in vielen Details zu lachen. Das Problem „Syrien“ begann während des Schreibens immer mehr Raum einzunehmen, und was als Buch über „die Rechten“ begann, wandelte sich im Schreibprozess.
Blickt man jetzt nach Syrien, kommt man nicht umhin, unsere deutsche Misere mit den Rechten als Luxusproblem zu empfinden. Aber auch hier gibt es brennende Häuser, auch hier leben Menschen in Angst: gerade solche, die aus ihren eigenen Ländern geflohen sind.

Ich danke all jenen, die unermüdlich Bloggen, Twittern, Posten, Filmen und Schreiben, seit der Krieg in Syrien begonnen hat, oftmals unter Einsatz ihres eigenen Lebens, jenen oft namenlos Bleibenden, auf deren Berichterstattung dieses Buch beruht.
Ich danke, auch wenn er dies nie lesen wird, Rafik Schami für jedes seiner Worte.
Und all jenen, die genauso unermüdlich Informationen über die „rechten Lager“ sammeln, um gegen sie anzugehen und Alternativen für Jugendliche zu schaffen.

Dieses Buch beschäftigt sich ja nicht mit zwei, sondern mit einem Thema, das beide Seiten der Geschichte verbindet: dem der allgegenwärtigen Gewalt, ihren Ursprüngen, ihren Zielen und ihren Grenzen.
Last but not least geht mein Dank daher an die Agentur Hanauer und die Mitarbeiter des Oetinger Verlages, die den Mut besitzen, ein Buch über ein solches Thema zu veröffentlichen, obwohl es von einem vollkommen unbekannten Autor stammt.
Hier muss besonders meine Lektorin erwähnt werden, meine Lektorin, der der Text unzählige schlaflose Nächte bereitet haben muss.

Als ich „Sommer unter schwarzen Flügeln“ schrieb, hofften wir alle, wenn es erschiene, wäre der Bürgerkrieg in Syrien Vergangenheit, Vergangenheit das Assadregime, Vergangenheit die Kämpfe.
Wir alle wissen jetzt, dass wir uns geirrt haben.
Während des Lektorats jährte sich der Tag des Kriegsbeginns zum dritten Mal, während die Welt Syrien vergessen zu haben schien.
Künstler wie Banksey setzten Videos ins Netz, die Kindernothilfe versuchte, mit dem Kurzfilm „if Syria was Britain“ zu bewegen: Rufe, die im weiten Nichts des Internet verhallten.
Während ich diese Worte schreibe, im November 2014, ist das Thema „Syrien“ und auch das Thema der „Rechten“ plötzlich wieder brandaktuell.
Der ISIS weitert seine Gebietsansprüche aus, Jugendliche aus aller Welt werden als Gotteskrieger angeworben und mitten in die Spirale der Gewalt hineinkatapultiert, und in Köln werfen rechte Hooligans einen Polizeibus um, als sie gegen „Salafisten“ demonstrieren, eigentlich jedoch gegen alle Nichtdeutschen.
Zugleich gibt es ein großes Kontingent aus Überläufern aus der Neonaziszene in die Dschihadistenszene, beide Gruppierungen sind konservativ, sind gegenüber ihren Eltern „anti“, leben im Rausch der Gewalt.
Es ist schön, wenn ein Buch aktuell ist. In diesem Fall wäre es mir lieber gewesen, es wäre nicht ganz so aktuell geworden.

Am Ende bleiben mir drei Dinge zu sagen:
Erstens – noch einmal und immer wieder: DANKE.
Zweitens - dieses Buch basiert auf Fakten, aber es ist Fiktion. Das im Text beschriebene Asylantenheim hat nie gebrannt.
Drittens – dies ist nicht aller Tage Ende. Weder, was den Brand eines Heims betrifft, noch, was die Protagonisten des Romans betrifft. Vieles ist offengeblieben. Es wird weitergehen.

(Peer Martin, Quebec, November 2014)