Rechtspopulismus

 #kurzerklärt: Was ist Populismus? Beispiele in Europa

Die wollen doch nur spielen

„Wir sind keine Nazis.“ Wenn man diesen Satz hört oder liest, kann man eigentlich davon ausgehen, dass dem ein „aber“ folgt. Und dann werden Gründe aufgezählt, warum man dennoch irgendwie gegen die Ausländer oder gegen eine multikulturelle Gesellschaft oder gegen die Demokratie ist, in jedem Fall aber dagegen.
Eine neue Woge des Rechtspopulismus breitet sich seit einigen Jahren über Europa aus, oder, um genau zu sein, über den Globus.
Nach Beendigung des kalten Krieges wurde die Welt und vor allem Europa liberaler und liberaler, Grenzen fielen. Heranwachsende Generationen sahen sich bald am ehesten mit dem Problem konfrontiert, was eigentlich mit der neu gewonnenen Entscheidungsfreiheit anzufangen sei und konzentrierten sich auf die Suche nach dem eigenen Selbst, da es außen scheinbar nichts zu tun gab.
Junge Leute rebellierten (und rebellieren) nicht mehr, sie beschäftigen sich mit der Suche nach dem perfekten Job, der perfekten Haarfarbe und dem perfekten Bausparvertrag, vergessen schienen in Europa Krieg und diktatorische Regime.
Nur die, die das System vergessen hatte, Arbeitslose und bildungsferne Schichten, blieben im Stillen wütend.
Mit dem Ankommen der ersten Flüchtlingswelle kippte das Bild.
Plötzlich hatten eben jene rechten Gruppierungen ein Argument in der Hand, um ihren Nationalismus zu propagieren, plötzlich war eine tatsächliche oder zunächst imaginäre Bedrohung da.
Und mehr und mehr in der Mitte der Gesellschaft angesiedelte Menschen erhoben ihre Stimme und kanalisierten ihre allgemeine Unzufriedenheit, vielleicht Unerfülltheit: Sie demonstrierten, in beinahe allen europäischen Ländern, gegen den bedrohlichen Zustrom des Unbekannten, Fremden, dass ihre Sicherheit, ihre Bausparverträge, ihr beschauliches Leben zu bedrohen schien.
Die überfütterte, satte Gesellschaft hatte auf einmal Angst, jemand anderer könnte auch ein Stück vom Kuchen haben wollen. Und die, die wirklich wenig hatten, hatten endlich Sündenböcke.
Eine Umkehr der bisherigen allgemeinen Strömung ist weltweit spürbar: Weg von Meinungsfreiheit  und Freiheit im Allgemeinen, denn wo man zu frei ist, muss man zu viel denken, dort draußen zieht es – zurück in die sichere, nationale Höhle.

Interessanter Weise liegen gerade hier Parallelen zwischen Islamismus im arabischen Raum und Nationalismus anderswo. In beiden Fällen richten sich die Menschen nach rechts, denken nicht mehr selbst, ziehen es vor, zu gehorchen und ihre eigene Identität oder Nationalität als Lebensinhalt zu feiern und – gerne mit Gewalt – zu verteidigen.
In beiden Fällen werden junge, perspektivlose Menschen, denen das freie Denken zu viel wurde, mit neuen Inhalten versorgt und feiern eine Party der Gewalt auf den Trümmern der alten Freiheit.

Wer die Meinungsfreiheit beschneidet, braucht keine eigene Meinung mehr zu haben.
Tatsächlich scheint der Mensch sehr faul zu sein. Es ist weitaus einfacher, anderen Meinungen nachzuplappern, andere für sich denken zu lassen.
All jene Menschen, die „kein Nazis sind“, sind etwas viel gefährlicheres: Sie sind Antihumanisten.
Die goldene Regel, tu anderen, was du dir wünschst, das dir getan werde, ist längst ausgehebelt.
Leicht lässt sich auf Trump schimpfen, der America first! Ruft. Aber genau das haben Generationen überall auf der Welt verinnerlicht: Zuerst kommt das Ich.
Wer sich heute hilfsbereit zeigt, ganz ohne Grund, gilt als verdächtig, er hat ein Helfersyndrom, er muss psychisch krank sein. Oft werden Helfer misstrauisch gefragt: „Warum machen Sie das eigentlich?“ Die Antwort liegt auf der Zunge: „Warum machen SIE das eigentlich nicht?“
Aber kaum einer wagt, das zu sagen, stattdessen versucht man sich zu entschuldigen, zu erklären, „warum man das eigentlich macht.“
Was im Christentum noch als selbstverständlich galt, nämlich, Mitmenschen zu helfen, ist heute nicht mehr nötig, denn das Paradies nach dem Tode, in dem man für seine Hilfe entlohnt wird, ist abgeschafft. Die Religion des modernen Menschen, die an die Stelle der alten Religionen tritt, ist die Religion des Ich.

Die Nazis, die ich zu Beginn der Arbeit an Sommer unter Schwarzen Flügeln noch für gefährlich hielt, entlocken mir heute kaum noch ein müdes Lächeln. Die NPD und ihr Wahlkampf wirken bemitleidenswert. Gefährlich ist die Mitte der Gesellschaft geworden, die Gesellschaft selbst.
Und jeder einzelne darin.

Wie rechts ist Europa?